Ästhetische Praxis als Kritik

Projektleitung: Nicolaj van der Meulen, in Kooperation mit Prof. Dr. Jörg Wiesel
Netzwerkpartner: DFG-Projekt Kulturen der Kritik (Prof. Dr. Beate Söntgen)

Im Fokus des Forschungsfeldes steht die Frage nach der Bedeutung von Kritik als einer zentralen Handlungs- und Denkfigur von ästhetischer Praxis. Dabei geht es weniger darum, die theoretischen oder historischen Dimen­sionen eines logos- gestützten Kritikbegriffs zu erkunden, sondern zu prüfen, in welchem Verhältnis Ästhetische Praxis und Kritik genau zueinander­stehen. Die These lautet, dass die ästhetischen und und auch die handwerklichen Dimensionen von Praxis einen spezifischen Kritikbegriff konstituieren, der einerseits diese Praxis immer auch selbstbezüglich hinterfragt, andererseits aber auch die konventionalisierten Begriffs- und Kategoriebildungen von Handlungen und Artefakten überprüft.

Mit seinem spezifischen Fokus reagiert das Forschungsfeld auf die seit einigen Jahren geführte Debatte um die Bedeutung des Kritikbegriffs und seiner Derivate (critical, criticism, critique, criticality) im Bereich des Ästhetischen, insbesondere im Kontext der Kunst- und Designforschung. Mit der hieran ablesbaren Konjunktur des Kritikbegriffs scheint eine Relativierung epistemischer, aus den Natur­wissenschaften abgeleiteter Forschungs­dispositive einher zu gehen. Die aktuell diskutierten Positionen um den Kritikbegriff lassen sich bei allen Differenzen dahingehend bündeln, dass Sie gegen Auffassungen von einer unmittelbaren epistemischen Verwertbarkeit ästhetischer Phänomene votieren und an deren Stelle eine form­bestimmende Praxis des Überprüfens und Aussetzens von Urteilen und Werten als originäre Figur von ästhetischer Kritik aufbieten.

Das Forschungsfeld untersucht, auf welche diskursiven und ästhetischen Voraus­setzungen diese an die Kritikprojekte der Moderne anknüpfende Neuorientierung von Ästhetischer Praxis als Kritik beruht, wie sie sich bildet, wirkt und ob sie ein zentrales Paradigma von künstlerischer Forschung darstellt.

Das diskursive Feld von ästhetischer Praxis als Kritik in der Schweiz (1913–1985)

Projektleitung: Nicolaj van der Meulen, in Kooperation mit MA (Artistic Research) Henryetta Duerschlag
Netzwerkpartner: N.N.

Das Forschungsfeld untersucht auf einer historisch-diskursiven Ebene die Herausbildung von ästhetischer Praxis als Kritik in der deutsch­sprachigen Schweiz zwischen 1913 und 1985, ausgehend von der Grünung der Gestaltungsschulen nach 1880. Der besondere Fokus ist auf die Frage gerichtet, wie kunsthistorisches und kunsttheoretisches Wissen aus universitär-akademischen Kontexten in die institutionellen Bereiche der Schulen für Gestaltung und Kunst hinüberwanderten, wie die Wissens­inhalte hierbei neu strukturiert und transformiert wurden. Im Sinne einer methodischen Operationalisierbarkeit des Untersuchungsfeldes versteht Forschungsfeld die Herausbildung von Kritik als einen Prozess der «diskursiven Formation», (Michel Foucault), bei der sich spezifischen Regeln, Strukturen und Muster von Kritik sukzessive herausbilden. Ästhetische Kritik zeigt sich hier als ein sich verdichtender Prozess der Deutung von Wirklichkeit unter Beteiligung wechselnder Akteure, Institutionen, Medien und Artefakten und damit auch als eine fortwährende Wechselwirkung von sprachlichen und nicht sprachliche Aussagen. Im Fokus des Forschungsfeldes stehen zu untersuchende Akteure, die, wie Hermann Kienzle, Georg Schmidt, Werner Jehle oder Alfred Altherr jr., im universitären Kontext ausgebildet wurden, in Gestaltungs(hoch)-schulen oder -museen wirkten und lehrten, unter diesem Einfluss ihr Denken neu strukturierten und auf die Kritik künstlerischer und gestalterischer Artefakte ausrichteten.